Zucht & Haltung
Landschafe mit Zukunft
Es sind schon ganz besondere Schafe, die Ostpreußischen Skudden und die Rauhwolligen Pommerschen Landschafe, deren rassetypischen Merkmale immer wieder deren Züchter überzeugen.
Beide alten Landschafrassen drohten in Folge von Krieg und Vertreibung der Menschen aus ihrer Heimat, Ostpreußen und Hinterpommern, auszusterben. Nur wenige dieser Tiere konnten nach 1945 gerettet werden. Rund 160 waren es bei den Skudden, bei den Rauhwolligen Pommern waren es weitaus weniger Tiere.
Uralt und die feinste Wolle der Welt
Seit fast 4.000 Jahren sind sie nachweisbar. Frühgeschichtliche Textilfunde belegen, daß die rassetypischen damaligen Vliese den heutigen entsprechen. Skudden und Rauhwollige Pommern wurden nicht „veredelt“. Einkreuzungen fremder Rasen unterblieben weitgehend. Skudden gibt es in den Farben weiß, schwarz, braun oder grau, immer jedoch ganzfarbig.
Pommern haben graue bis stahlgraue Farbe mit manchmal blauem Farbanflug. Pommernlämmer werden mit schwarzem Lammvlies geboren. Erst durch jährlichen Vliesaufwuchs und eine Schur, verändert sich die Farbe.
Biologisch hochwirksam ist die bleibende Doppelfunktion der Pommernvliese: individuelle Wärmeregulierung je nach Befinden des Tieres, Wind- bis Sturmabwehr und zugleich der in Küstennähe nötige Lichtschutz (vor UV-Strahlung) der genannten Farben.
Die Vliese dieser unverfälscht erhalten gebliebenen Landschafrassen bestehen aus Kurzhaaren, sehr feinen Wollfasern und darüber außen liegenden und abdeckenden Langhaaren. Die Kurzhaare regeln, je nach Befinden des Tieres, die Luftzwischenräume in der dicken Schicht der Wollfasern. Die Langhaare lassen Regen und Schnee abrinnen. Wie ein alter Schäfer von seinen Skudden sagte: „ sie haben Leibwäsche, Kleidung und Mantel an“ und das Schaf erneuert sein Vlies entsprechend den Jahreszeiten. Die Weite und die zuweilen erheblichen Windwirkungen an der Ostsee, dem Herkunftsgebiet von Skudden und Rauhwollern, forderten in Jahrtausenden die ganz spezielle Vliesstruktur dieser Tiere.
Skuddenwolle ist die feinste der Welt, dreimal feiner als die der Merinoschafe.
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Widerstandsfähig und anspruchsbescheiden
Skudden sind mit 30 – 40 kg für ein Mutterschaf, 35 – 50 kg für einen Bock und bis 60 cm Widerristhöhe, die kleinsten deutschen Landschafe. Ihr Futterbedarf dem entsprechend unterhalb der Fütterungsnormen für Landschafe. Der Futterbedarf der Pommern ist dem anderer Landschafrassen vergleichbar. Pommernzibben (w) wiegen 50 – 55 kg, die Böcke 70 – 75 kg..; die Widerristhöhe beträgt bis zu 70 cm.
Bei aller Genügsamkeit sind beide Rassen keine Abfallverwerter oder Hungerkünstler. Skudden und Pommern brauchen keinen Stall, sie können in kleinen Gruppen Sommer wie Winter im Freien gehalten werden, wenn sie einen trocknen, windgeschützten Unterstand haben. Sie sind robust und – artgemäß gehalten – sehr widerstandsfähig gegen Parasiten und Krankheiten. Unerlässliche Voraussetzung ist ihr gedeckter Rohfaserbedarf – z.B. durch im Winter den Tieren gereichte armdicke Äste von Laub- und Nadelhölzern und ausreichend Heu und Stroh in guter Qualität.
Hohe Lebenserwartung mit genetischer Vielfalt
Ostpreußische Skudden wie Rauhwollige Pommersche Landschafe überzeugen auch mit einer, gegenüber Leistungsschafrassen, hohen Lebenserwartung. Bekannt ist eine Skuddenmutter, die 19 Jahre alt, bis zu ihrem 16. Lebensjahr ohne Probleme ihre Lämmer zur Welt brachte, aber anschließend nicht mehr gedeckt wurde. Das Tier hat noch ein volles Gebiß. Ein Alter von 25 Jahren sollen Skudden erreicht haben.
Eine 16 Jahre alte Pommernzibbe (w) brachte bei 15 Lammungen 28 Lämmer, von denen sie 26 aufzog.
Wildtierähnlich ist Skudden wie Pommern noch eine große genetische Bandbreite gegeben, die viele andere landwirtschaftliche Leistungsrassen längst verloren haben.
Ideale Landschaftspfleger
Skudden wie Pommern sind zur nachhaltigen Landschaftspflege bestens geeignet. Wissenschaftliche Arbeiten des Zentrums für Agrarlandschafts- und Landschaftsnutzungsforschung (ZALF) in Brandenburg unterstreichen die Bedeutung der Skudden für die Landschaftspflege.
Zusammenfassend liegt der ökologische Vorteil in dem vergleichsweise hohen Futteraufnahmevermögen, der guten Verbißstruktur (auch auf Standweiden), der nicht einseitigen Bevorzugung von Gräsern gleichen Vegetationszustandes, der hohen Laufdichte und der guten Flächennutzung. Skudden zeigen eine sehr hohe Umweltstabilität, das heißt, sie sind vergleichsweise unabhängig von Umweltveränderungen wie Wind und Sonne.
Aktive Lebenshilfe
Der naturpflegende Weidevorgang der anspruchsbescheidenen Skudden und Pommern, sichert vielen Geschöpfen Lebensgrundlagen:
- Das höchst kunstvolle und in Bodennähe als Kinderstube gebaute Kugelnest der Haselmaus, wird von den sogenannten Wirtschaftsrassen, die durch Verengung ihrer Erbanlagen Teile ihrer natürlichen Fähigkeiten verloren, nicht geachtet, sie zertreten sie. Ganz anders verhalten sich unsere Landschafe.
- Unsere kleinsten Hühnervögel, Rebhuhn und Wachtel, sind mit ihren Bodennestern auf entsprechende Rücksicht und auf Ernährungsmöglichkeiten ihrer winzigen Küken, zunächst durch Larven von Rasenameisen und allmählich auch bestimmter heranreifender Grassamen, angewiesen. Rasenameisen aber können, trotz tiefgelegener Bauten, nur dort leben, wo ihnen Rücksichten feinfühliger Landschafe ihre Atmungshügel erhalten.
- Pflegende Abhängigkeit besteht gleichzeitig zwischen diesen Rasenameisen und einigen Arten von Segelfaltern sowie Bläulingen. Deren Puppenentwicklung ist auf zeitweilige Pflege bestimmter Ameisenarten angewiesen. Ein Naturschutzgebiet der Voreifel entwickelte so nach Beweidung durch Skudden wieder fast erloschene Bestände der schönen Schwalbenschwänze, immerhin die größten Segelfalter Deutschlands. Auch Eidechsen, Blindschleichen und andere Arten stellten sich wieder ein. Auf den durch Rinder oder Pferde grob beweideten Flächen oder Hängen oder gar durch Einsatz schneller und teurer Kreiselmäher erlöschen solche Formen der Lebensvielfalt.
- So nutzt der Graureiher die wachsame Herdenfunktion solcher Landschafe für seinen Mäusefang zugunsten der eigenen Jungen. Das individuelle Wachsein unserer Skudden und Pommern spart dem Reiher Energie und gewährt allen Beteiligten Schutz. Bei geduldiger Beobachtung ist die Verständigung zwischen beiden Arten leicht wahrzunehmen. Ein einzelner zischender Pfiff einer Skudde genügt nicht nur den Artgenossen, sondern auch dem Reiher als Warnung.
Wollen, Filze, edle Tuche – und schmackhaftes Fleisch
Wollen der Skudden und Pommern werden zu Strickwollen, erstklassigen Filzen sowie zu ansprechenden und hochwertigen Tuchen verarbeitet. Hierzu führt der bundesweit anerkannte und zur Betreuung dieser beiden Rassen tätige Zuchtverband die Wollen zusammen und läßt sie – nach chemiefreier Wollwäsche mit Gletscherwasser in Tirol – auf besonders geeigneten, aus dem Jahr 1927 stammenden Maschinen, schonend verarbeiten. Die Vermarktung erfolgt in Regie des Zuchtverbandes über das Wollkontor.
Das Fleisch der alten Landschafrassen, etwa von überzähligen Böcken, ist besonders wertvoll, es enthält viele ungesättigte Fettsäuren. Sie ermöglichen es dem Tier, leichter Kraftreserven bei Bedarf zu nutzen – uns Menschen gibt dieser Sachverhalt hochwertiges, weil besonders bekömmliches und schmackhaftes Fleisch. Diese Merkmale sind keineswegs bei allen Schafrassen gleich vorhanden.
Ostpreußische Skudden und Rauhwollige Pommersche Landschafe ermöglichen Einblicke in natürliche Lebenszusammenhänge. Sie zeigen viele in der heutigen Landwirtschaft und ihren mehrheitlich Leistungsrassen nur noch selten zu beobachtende Verhaltensweisen. Sie sind in vielerlei Hinsicht eben besondere Schafe. Vielleicht ist es die Harmonie, die diese Tiere gleichermaßen brauchen wie auch vermitteln, die Ostpreußischen Skudden und Rauhwolligen Pommerschen Landschafe.